Weinrallye 16: Schwabinger Studentenkneipen

Wein, Weinrallye

Als meine Frau und ich beschlossen, unsere Babysitterin könnte mal wieder etwas Geld gebrauchen, hatte ich gleich die Idee, für die 16. Weinrallye bei Notizen für Genießer die Weinqualität der Kneipen unserer Studentenzeit zu prüfen. Etwas später entstiegen wir der U-Bahn an der Haltestelle Universität, in der Maxvorstadt und nicht in Schwabing, um es genau zu nehmen, liefen die Schellingstraße herab, am Historikergebäude vorbei, das es zu unseren Zeiten noch nicht gab, und jeder historische Lehrstuhl so weit wie möglich vom anderen entfernt irgendwo in München sein Büro aufgeschlagen hatte: Schulze in der Herzogstraße, Ritter in der Trautenwolfstraße, die Mittelalterleute im Lehel, nur Alte und Bayerische saßen in den ehrwürdig-klassizistischen Klenze- und Gärtner-Gebäuden entlang der Ludwigstraße und schoben geruhsam ihren Dünkel vor sich her.

An der Ecke zur Türkenstraße, benannt nach der Türkenkaserne, die es nicht mehr gibt, lag früher die Engelsburg, echt abgestürzt, und bot Löwenbräu mit viel Schwabinger Mief, die ewig gestrigen Stammgäste hatten sich selbst in Form eines riesigen, sich über eine Wand erstreckenden Wandgemäldes im Stil da Vincis Abendmahls ein Denkmal gesetzt. Heute ist es eine schicke Bar mit Wärmelampen für die Gäste, die auch bei Herbststürmen auf der Straße sitzen wollen, der richtige Ort also, um den ersten Wein zu testen. Der Name der Kneipe, Café Soda, und die Weinauswahl auf der Speisekarte hätten mich stutzig machen sollen, drei Weißweine, nur die Angabe der Sorte, Chardonnay, Gavi, Pinot Grigio, drei Rote, ein Rosato. Frohgemut griff ich zum Pinot Grigio, da kann man wenig falsch machen, um wenig später eine echt herbe Enttäuschung zu erleben. Vom Stil mehr ein vollmundiger deutscher Grauburgunder als ein leichtfüßiger Norditaliener, was verschmerzlich gewesen wäre, aber von der Qualität so mies, dass ich echt geschockt war, dass es so miese Weine überhaupt gibt. Essigsäuren in der Nase, Essigsäure im Auftakt und Essigsäure im Abgang. Oh je.

Schließlich saßen wir dann im Türkenhof, wo wir dann eigentlich immer irgendwann sitzen, und freuten uns, dass sich dort wenig geändert hat. Ein neuer Anstrich, ein Anbau nach hinten, aber vom Publikum her ein altvertrauter Typus Student. Andere Moden als früher, andere Haarschnitte, neue Kellner, aber Leute, die gerne beim Bier über Gott und Welt diskutieren, laut, manchmal ernst, manchmal lustig, Intellektuelle, Künstler, Figuren und die, die es werden wollen. Und ein paar von denen, die schon übrig geblieben waren, als ich das erste Mal hier ankam. Dass nicht geraucht wurde, kam mir heute entgegen, obwohl ich früher an so einem Abend zwei Schachteln weggezogen hätte.

Als mich die Kellnerin dann gefragt hat, was ich will, kroch mir nichts anderes mehr die Kehle hoch, als „ein Helles bitte“. Orte haben einfach ihre Regeln und Gewohnheiten, selbst wenn man nach Jahren ein anderer Mensch geworden ist. Bei Augustiner blieb es dann. Wir saßen mit einem anderen leicht angegrauten Paar aus Düsseldorf offensichtlich am Seniorentisch und redeten nicht mehr über die eigene Bildung, sondern über die der Kinder. Gefühlt wie fünfundzwanzig hab ich mich dennoch.

Nachtrag: Natürlich kann man in München sehr gut Wein trinken. Etwas weiter die Schellingstraße hinab, liegt die Garibaldi Weinbar, mein Favorit, die jeden Abend wechselnd zehn bis fünfzehn hochwertige italienische Weine zum Probieren geöffnet hat. Das Flaschensortiment von Garibaldi kann man ebenfalls bestellen.

In der Innenstadt bietet der Keller des Rathauses die hochklassischen Weine des Würzburger Juliusspitals, das Essen ist bürgerlich. Die großen Hallen der Pfälzer Weinstuben in der Residenz haben einfache, offene Pfälzer Tropfen, die man zu Brotzeit oder Saumagen genießt, wobei die Auswahl der Flaschenweine exzellent ist. Gehobener ist das Vinorant im Alten Hof mit hervorragender bayerisch-verfeinerter Küche und Frankenwein unter anderen von der aufsteigenden Winzergenossenschaft Nordheim.

Jeder wird schließlich Paula Bosch kennen, die im Tantris ihre Weine anbietet. Aber da sollte man sich einladen lassen. Ich hatte zweimal das Vergnügen, allein der Raum im Stiel der Siebzieger ist sehenswert, vor der Türe sitzen nicht so niedliche, mannshohe Phantasiefiguren aus Beton, und die Küche von Hans Haas hat natürlich lange fern abgehoben von den Saucen der Sterblichen.

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